06 02
Studio by the sea
Es braut sich alles dort drüben zusammen, wo die zerzausten Pinien stehn. Sie schaukeln mit ihren Wipfeln, schwanken ein wenig, als hätten sie die ganze Masse des Himmels zu tragen. Ein paar Windstöße genügen, die Wolkendecke reißt auf, auseinander, ballt sich wieder zusammen, wird hinweggefegt. Ströme von Wasser fallen heraus und herunter, werden in die Tiefe gedrückt, über die Wege geschüttet, querfeldein getrieben über Wiesen, bis auch die letzten Rinnen, Gräben überfließen. Über den Torf, über das Moos, über die Flechten ergießt es sich, fließt um die verkrüppelten Bäumchen herum, über die schorfigen Steinbänke hin, wo die Gischt turmhoch aufschäumt und in regentropfenschwere Perlenschnüre zerspringt. Undurchdringliche, bleierne Vorhänge webt der Wind, um sie über Land zu schleifen, wobei sie zerstäuben, sich in Nebel auflösen. Konturen verwischen, Himmel und Erde vermischen sich, lassen auch den letzten, ins Meer ragenden Felsen verschwinden. Und du hängst unbefestigt mittendrin, Flüsse und Flüßchen rinnen, schwimmen um die breiten Ginsterbüsche herum, die über die Landschaft verstreut da hocken, unverrückbar wie Glucken, die auf ihren Eiern brüten. Wie riesige Schatten ragen die Pferde hinter ihnen, zu Skulpturen erstarrt, auf, dicht gedrängt sich an ihr nur halbhohes aber dichtes Stacheldach. Wohin sollten sie fliehn? Sie lassen’s einfach niederprasseln, halten ihren Rücken hin. Sie haben alles erlebt, es ist alles passiert, was soll ihnen geschehn?
Trüb ist das, wie in nem Einweckglas. Wann war das noch, als es hieß, der irische Regen würde, ohne die rechte Energie, meistens nur sanft so vor sich hin nieseln? Das hier ist etwas anderes. Das ist die Gesamtheit von Nässe, eine Art tosende Stille. Der entrinnst du nicht.
Aufgebläht knattern leere Müllbeutel vorbei, führerlose Flugobjekte, zerfetzt, zerschlissen, verrückte Vögel, die, mit den Flügeln schlagend gegen Zäune flattern und wild zappelnd an ihnen hängenbleiben.
Das Dröhnen der Windes ist so laut, als rauschte das Meer direkt ums Haus und in dies alte Gehäuse hinein, das sich Cottage nennt.
Es klickklackt, klappert, summt und brummt, es faucht durch’n Schornstein, pfeift durch Ritzen, Schlitze, flötet in Schlüssellöcher, trötet in Röhren, streicht übern Fußboden. Pfosten knacken, Fensterrahmen schlackern, jeden einzelnen Tropfen hörst du klopfen, aufs Fensterbrett hopsen, wie Glasperlen klingen, die gegen Fensterscheiben springen, auf die Dachrinne trippeln, wie ein Glockenspiel klingeln, herunter tröppeln, klick klack dackdack. Du döst dich hellwach. Tag und Nacht sind in eins verschwommen, zu regengleichen Schemen verkommen, Zeit und Raum außer Kraft. In einem Meer von Geräuschen schwimmst du mittendrin. Fensterscheiben klirren, Schindeln poltern vom Dach, krachen auf, du wirst wach ach! So? Doch! Es regnet ja immer noch. Tropfen klatschen in Massen auf Flächen, plattern auf Dächer, an Wände, fließen in Bächen ab, plätschern in Pfützen platsch! Du hörst sie aufs Geländer pochen. Wie lange bist du schon hier, Stunden? Tage? Wochen?
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Da haben sie alles mit ihnen gemacht, die Russen, und die Kühe steckten die Köpfe zum Fenster herein, und da war einer der hat ihnen das Euter abgeschnitten, und da haben sie gerissen die Kuh und alle Frauen. Wird auch kein Wasser mehr sein und wird eine neue Erde sein, und die alte Erde wird vergehn.
Da nahm der Mann das Kind und ging auch fort. Wohin aber sollte er denn gehen? Es war doch nichts mehr da. Die Häuser zerstört, zerschossen, die Autos quer auf der Straße. Die Pferde lagen mit aufgeschlitztem Leib am Straßenrand. Sie haben ein süßliches Fleisch, gewiß. Trotzdem nahm er sich kein Stück davon. Aber was sollte aus dem Kind werden? Der Vater macht es nicht mehr lang. Der Hunger hat ihn aufgefressen. Er legt sich einfach hin und sagt, ich sterbe jetzt. Nimm das Kind, Schwester, du hast doch schon drei, wirst wohl auch das vierte noch mit durchbringen.
Fortsetzung folgt…..